Freitag, 24. Februar 2012

HP und IBM: Ist Meg besser als Ginni?

Als Lou Gerstner 1993 zu IBM kam, befand sich der damalige Weltmarktführer im kompletten Absturz. Milliardenverluste. Kein Geld mehr in der Kasse. Moral der Mitarbeiter am Tiefpunkt. Und Ludwig der Erste, der Mann, der von außen kam, der McKinsey-Meister, der heimliche Star von American Express, der RJR Nabisco wieder aufrichtete, wurde nun der Big Lou von Big Blue. Er war es, der die beschlossene Aufspaltung der IBM in viele Einzelgesellschaften aufhob. Er war es, der IBM ins das Service-Geschäft führte. Er war es, der den IBMer das Selbstbewusstsein zurückgab. Er war es, der sich selbst zu einer Legende erhob, gegenüber der die Verdienste all seiner Vorgänger verblassten. Louis Victor Gerstner wurde seinem zweiten Vornamen gerecht. Er war der strahlende Sieger, der bei seinen Besuchen in den von ihm entmachteten Tochtergesellschaften in mehr als 100 Ländern der Erde mehr Aufmerksamkeit erwartete als der Papst bei seinen Missionen. Ein Superstar.
Das ist Meg Whigman, die neue Chefin von Hewlett-Packard auch, aber nicht ganz so plump und eitel. Dabei hat sie durchaus eine tolle Erfolgsgeschichte als Managerin hinter sich. Aber wie Lou vor bald 20 Jahren, hob sie auch als erstes einen Beschluss auf, den ihr glückloser Vorgänger Leo Apotheker bewirkt hatte: die Abspaltung des PC-Geschäftes. Daraus wurde nichts. Und als sie jetzt ihr erstes komplett eigenverantwortlich zu vertretendes Quartal vorlegte, wurde deutlich, welches Fiasko ihr Vorgänger hinterlassen hatte. Gewinneinbruch um 44 Prozent und Umsatzrückgang um sieben Prozent sind deutliche Zeichen dafür, dass erstens den Mitarbeitern die Motivation fehlt und zweitens dem Unternehmen das richtige Geschäftsmodell. Was 1993 bei IBM Themen wie Outsourcing waren, den Rettern in Richtung Services, ist heute bei Hewlett-Packard das Cloud Computing. Hierauf setzt die Firma, noch Umsatzweltmeister der IT, ihre Zukunft. Und wir werden demnächst erleben, in zwei, drei oder vier Quartalen, wie sich alles zum Guten wendet und Hewlett-Packard trotz stagnierender Umsätze immer mehr Profit aus ihrem Geschäft zieht.
Die Geschichte der IBM wiederholt sich bei Hewlett-Packard. Am Ende wird Meg in der IT als mindestens ebenso großartig dastehen wie dereinst Lou Gerstner. Zwei Externe retten die Giganten der IT. Was für eine Story! Welch eine Chance für die Spin Doctors!
Und doch wird man irgendwann erkennen, dass alles ganz anders war. Lou hat bei IBM nicht den Service als Geschäftsmodell erfunden. Das hatte schon sein Vorgänger John Akers sehr beherzt angepackt. Und aus dem PC-Geschäft, auf das Lou nicht verzichten wollte, ist IBM längst ausgestiegen und versucht der Welt zu erklären, warum dies ein genialer Schachzug war. (Dabei wurde sie in diesem Business zuerst von Microsoft und dann von Apple schachmatt gesetzt.) Auch die immensen Abschreibungen, die IBM 1993 einen Verlust von 8,9 Milliarden Dollar bescheren und angeblich in die Liquiditätskrise zwingen sollten, waren das Ergebnis dessen, was Lou wirklich hervorragend beherrschte: das Financial Engineering. Es ist eine Kunst, die bis heute das Unternehmen auszeichnet (wie immer man über diese Buchhalterei denken mag). Und Big Lou verstand es hervorragend, den Familiengeist, der IBMer überall in der Welt beseelte, zuerst zu brechen, um ihn dann neu zusammenzusetzen. Sie wurden alle zu kleinen Lous, und der Größte von ihnen, Sam Palmisano, wurde Lous Nachfolger.
Bei Hewlett-Packard könnte sich nun ähnliches abspielen. Irgendwann wird dann doch das PC-Geschäft aufgegeben, weil man niemanden hat, der ihm einen neuen Spirit verpassen kann. Vielleicht wird es sogar Lenovo übernehmen. Vielleicht sogar Microsoft, weil sie gegen den Mac irgendetwas unternehmen muss. Und mit dem Umstieg auf die Cloud, was nichts anderes ist als ein netzbasierendes Outsourcing-Modell, wird Hewlett-Packard ebenfalls wie IBM im Service-Geschäft aufgehen. Und da sie ja seit 2008 mit EDS die Urgroßmutter des Outsourcings unter ihrer Fittiche hat, kann HP ja für sich beanspruchen, die Grundlagen für das Cloud-Modell geschaffen zu haben. Am Ende dieses Prozesses, der in 2016 abgeschlossen sein wird und als die größte Transformation aller Zeiten gefeiert werden wird, ähneln sich IBM und HP so sehr, dass die Mitarbeiter, die dann nur noch Auftragnehmer sind, problemlos zwischen diesen beiden 100-Milliarden-Service-Zombies hin und her changieren können. Es sind nur noch Mantelfirmen. Das einzige, was die beiden unterscheiden wird, ist die Größe. Mal ist IBM vorne, mal HP. Spannend, was?
Das Erbe Lous wird in den nächsten Jahren von zwei Frauen verwaltet: bei Hewlett-Packard ist es Meg Whigman, bei IBM ist es Virginia (Ginni) Rometty. Und wir werden sehen, wer von den beiden die bessere ist.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Nicht Akers hat den Service bei IBM als 1. groß geschrieben, sondern schon der alte Watson :-)


"IBM Means Service" ad (1949)
http://www-03.ibm.com/ibm/history/exhibits/vintage/vintage_4506VV2063.html

Raimund Vollmer hat gesagt…

Das ist richtig, aber Akers hat ihn wiederentdeckt. Und das war verdammt viel schwerer.

cloud server hat gesagt…

Ich arbeite für Dell und Ihre Meinung zum Cloud Computing ist sehr beeindruckend. Ich denke, dass Cloud computing ist auch als internen Cloud-oder Unternehmens-Cloud genannt.