Samstag, 1. Dezember 2012

Leistungsschutzgesetz: Die doppelte Moral der Verlage...

(Kommentar) ... die sich - geschützt in den engen Grenzen der Bundesrepublik - gegen die Suchmaschinen-Schmarotzerei wehren wollen und sollen, tritt allmählich voll zutage. Seit bald 30 Jahren habe ich die Tageszeitungen FAZ, Financial Times (UK) und Wall Street Journal abonniert, über zwei Jahrzehnte hinweg gehörte auch Die Welt dazu. Hinzu kamen Abos von Wochen- und Monatspublikationen aus den USA (Business Week, Newsweek, Time, Fortune), Großbritanniens (The Economist), Japan (Nikkei Weekly), aus Deutschland (Wirtschaftswoche, Der Spiegel, Die Zeit). In all diesen Jahren habe ich immer wieder feststellen dürfen, dass unsere Zeitungen sich der Informationen bedienten, die vor allen Dingen zuerst und am profundesten in der Financial Times und im Wall Street Journal standen. Oft habe ich erlebt, dass bei der Übernahmen der Nachricht und Meinungen dazu in die deutschsprachigen Publikationen die Quelle gar nicht genannt wurde. Immer wieder ist mir aufgefallen, wie sich sogenannte Zukunftsforscher, hochgelobt und gefeiert, bis in ihre Sprüche hinein der Erkenntnisse bedienten, die sie der internationalen Presse entnommen haben und die sie als eigene darstellten. In den achtziger Jahren habe ich voller Bewunderung die Aussagen von amerikanischen oder britischen Analysten gelesen, Aussagen, die ausschließlich in den angelsächsisch geprägten Blättern veröffentlicht wurden. Hierzulande gab es diese Species so gut wie gar nicht. Stets sehr ereignisnah, sehr kenntnisreich, klug und treffend, gaben diese Analysten unseren angelsächsischen Kollegen ihre Sicht der Dinge zum besten. Man spürte, dass in diesen Zeitungen nicht nur die reine Schreiberei belohnt wird, sondern die beharrliche Recherche. (Das muss gar nicht einmal investigativ sein.) In Deutschland hingegen gab es (und gibt es) mit Ausnahme des skandalkonzentrierten Scheckbuch-Journalismus im Vergleich dazu nur wenig Geld für Recherche. Damit muss sich jeder Journalist hierzulande abfinden - auch damit, dass - wenn ich mich recht entsinne - der Merger von Daimler & Chrysler zuerst in den angelsächsischen Medien berichtet wurde, obwohl ein deutsches Unternehmen die Dominante dabei war. Die Börsenplätze New York und London waren und sind nunmal wichtiger als Frankfurt oder Paris oder Rom. Als sich dann mit dem Neuen Markt und der Internet-Blase eine deutsche Analystenszene bildete, habe ich mich riesig gefreut. Endlich! Doch bald stellte sich das schale Gefühl ein, dass das vielfach nichts anderes als geld- und publizitätsgeile Typen waren, die nicht wirklich souverän dachten.
Wir sind - was die Wirtschafts- und Technologiepresse anbelangt - nicht das Original. Wir leben davon, dass unsere Leser liebe deutsche Texte lesen als englische. Wir bedienen uns der Leistungen anderer. Solange wir die Quellen nennen oder zumindest dokumentieren, ist das in Ordnung, auch wenn es wünschenswert wäre,  unsere Verleger würden Recherchearbeiten (die vor allem die freien Journalisten zumeist kostenlos erbringen) besser bezahlen. Wenn man nun den Gesetzgeber dazu bringen möchte, Google & Co. dafür in die Kostenpflicht zu nehmen, was man selbst seit vielen Jahrzehnten betreibt (und Google nennt übrigens im vollen Umfang seine Quelle), dann hat das schon den Beigeschmack einer doppelten Moral. Die Verleger können dabei darauf setzen, dass die Bundestagsabgeordneten nicht wirklich wissen, wie in den Redaktionen gearbeitet wird. Es wäre gut, wenn im Anschluss an diese Gesetzgebung, die sich ja wohl kaum aufhalten lässt, eine Diskussion über die tatsächliche Leistung, die geschützt werden soll, geführt wird. Da würde dann vielleicht mancher Verleger ganz schön verlegen sein, wenn die Eigenleistung seiner Produkte bewertet werden würde. Das meint Ihr Raimund Vollmer, der seit seit 1973, also bald seit 40 Jahren, diese journalistischen Gratwanderungen mitmachen darf. Ich glaube, viele der Kollegen würden sich auch freuen, wenn wir in den Wirtschaftsunternehmen Gesprächspartner hätten, die mehr können als das nur nachzuplappern, was vorher in amerikanischer Management- und Sach-Literatur gestanden hat. Ich glaube, wir alle wünschten uns Analysten, die wirklich einmal originelle und originäre Einsichten zu dem Gegenständen ihrer Beobachtung formulieren könnten. Kurzum: Es wäre schön, wenn alle, die mit ihren Worten die Meinungsbildung in unserem Land begleiten, eine hohe Eigenleistung dabei erbrächten. Dann hätte ein Leistungsschutzgesetz eher seine Berechtigung. Es geht nicht um das "Monopol Google", wie die FAZ heute in ihrem Kommentar zu suggerieren scheint, es geht um unser ureigenes Selbstverständnis. Als Journalisten. Aber wahrscheinlich haben wir genau die Verleger, die wir verdienen..

1 Kommentar:

Analüst hat gesagt…

Als Journalisten und als Volk haben wir genau dieser Verleger verdient. Und die Politiker haben wir sogar selbst gewählt.

Danke trotzdem